Datum: 01.03.2003
Ressort: Lokales
Autor: Jana Sittnick
Source: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2003/0301/lokales/0040/index.html


Ein Missverständnis

Bei einer Karnevalsparty wurde die wirklich lustige Band Kuusimäki gnadenlos ausgepfiffen

So könnte ein Albtraum aussehen: Eine Festhalle mitten in Mitte, gefüllt mit tobenden Menschen, die Spaßhütchen auf dem Kopf tragen, Polonaise tanzen und in Tröten blasen. Aus den Lautsprecherboxen dröhnt Stimmungsmusik, auf Leinwänden in Fußball-WM-Größe sind verkleidete Kölner Senioren zu sehen, und die Tanzfläche lädt zur Schunkelpolka. Es ist kein Traum, es ist Karneval.

Am Donnerstagabend lud die "Ständige Vertretung", das Hauptquartier des Rheinländertums an der Spree, zur großen Sause in den Tränenpalast. Und der war gerammelt voll, 900 Gäste zählte Veranstalter und Gastwirt Harald Grunert. Und die Stimmung kochte, und das Kölsch floss in Strömen, und der Umsatz stimmte.

Ein schöner, bunter, karnevalistisch ausgefüllter Abend, wäre da nicht die Sache mit dieser finnisch-deutschen Coverband Kuusimäki gewesen. Eine originelle Idee von Grunert, dessen Ehefrau selbst Finnin ist, die bizarre Band einzuladen, und mal etwas zu wagen in puncto Karnevalsprogramm. Doch nicht immer gewinnt der, der etwas wagt. Kuusimäki hatten keine Chance, sie wurden gnadenlos ausgepfiffen und ausgebuht, spielten aber tapfer ihr kurzes Set von fünf Songs. Danach drehte DJ Bernd die Schunkelschlager auf, und waren alle wieder dort, wo sie sein wollten: im Karnevalsland.

Die Musiker von Kuusimäki nahmen es mit Fassung, sie wissen, dass sie gut und witzig sind, eine Eigenschaft, die sie an anderen Orten, zum Beispiel bei der "Schönen Party" in der Kalkscheune, im Schokoladen, im Tacheles oder im Kreuzberger Ferengi-Club schon zur Geltung bringen konnten. Da füllten sie die Räume mit ihrem Charme und der unverhohlenen Fröhlichkeit, mit der sie Popsongs nachspielen. Englische Songs, die von der Sängerin Katri Kuusimäki in Finnisch nachgesungen werden, allerdings in sehr freier Interpretation. Katri erzählt ihre eigenen Geschichten, die oft skurril und ironisch sind. "Bei ,Highway to hell von AC/DC spiele ich zum Beispiel erst nur mit den Vokalen", sagt sie, "und dann erzähle ich etwas über den BH - auf Finnisch rintaliivit - den ich tragen muss, sonst würde mir alles runterrutschen." Die Möglichkeit, dass sie verstanden wird, ist in Berlin nicht groß, nach ihrer Schätzung leben hier 2 000 Finnen, und nicht alle gehen zu Kuusimäki-Konzerten. Bei dem Konzert in der Kalkscheune jedoch seien Landsleute da gewesen, und die hätten mitgesungen, worüber die Sängerin so erstaunt war, dass sie fast ihren Text vergaß.

Katri Kuusimäki ist in Helsinki geboren. Nach 20 Jahren wurde ihr das Leben dort zu langweilig, und sie ging nach Berlin. Seit 15 Jahren lebt sie fest an der Spree. Die Band, die ihren Namen trägt, ist sehr jung. Im Sommer vergangenen Jahres gründeten Katri, die Schwedin Lisa Wiklund und der Westfale Hermann Beesten die Combo. Hermann hatte Katri kommunistische Liebeslieder singen hören, die ihn derart bezauberten, dass er mehr davon wollte. Später kam noch der Berliner Holger Zimmer dazu.

Kuusimäki covern Hits quer durch die Popgeschichte, von Abba, Police und David Bowie, bis hin zu Lenny Kravitz und Nirvana. Sie "finnisieren" ihr Repertoire und setzen sich selbst ironisch in Szene, ohne clownesk zu wirken. Mit "nordischem Pathos" eben, wie Katri das nennt, einer "Mischung aus Coolness und Melancholie". Kuusimäki wollen gern mal in Finnland auftreten, erzählt sie, oder auch im Vorprogramm der Ärzte. Um Karnevalsfeiern werden sie fortan einen Bogen machen.

Finnisches Karaoke mit Kuusimäki und dem Karaokemonster: jeweils erster Donnerstag im Monat, im KATO, Schlesisches Tor, Kreuzberg, 21 Uhr.


BERLINER ZEITUNG/PABLO CASTAGNOLA Da ging es schon wieder. Weil die Finnen wissen, dass sie witzig sind, herrschte in der Umkleide nach dem Katastrophenauftritt schnell wieder gute Laune.

 

 

Berliner Zeitung  Freitag, 24. Januar 2003

Bin ich zu alt? Komme ich da rein?

Die "Schöne Party" ist seit drei Jahren die beliebteste Anlaufstelle für Otto Normaltänzer

Jana Sittnick

 

Das Ausgehen in Berlin ist sicher aufregender als in - sagen wir - Neuruppin oder Saarbrücken,

aber auch schwieriger. Schon in der Wahl des richtigen Ausgeh-Ortes liegt die Herausforderung.

Es gibt dutzende Clubs mit speziellen Programmen, die ihr ganz bestimmtes Publikum anziehen.

Für Insider oder Mutige ist das gut: Der eine geht eh nur in seine zwei, drei Lieblingsläden, der

andere stürzt sich ins Unbekannte, auf die Gefahr, einen schlechten Abend zu erwischen. Für die

anderen ist die Vielfalt schlecht: Wer nur ab und an mal ein bisschen tanzen will, den schreckt der

Dschungel. Was spielen die für Musik? Wie komme ich an den Türstehern vorbei? Bin ich zu alt?

 

Offenbar fast zwangsläufig findet er dann den Weg in die Kalkscheune. Dort, hinter dem

Friedrichstadtpalast, bitten die Radiomacher Volker Wieprecht und Robert Skuppin jeden

zweiten Sonnabend zum Tanz: Die "Schöne Party" läuft seit drei Jahren mit wechselnden Motti

und erstaunlichem Erfolg: Jeder Termin ist ausverkauft, die Leute stehen noch um Mitternacht an

und fragen nach Karten.

 

Vor 14 Tagen lief die "Schöne Party" unter finnischer Flagge, man konnte im Innenhof auf einem

Schild lesen, dass Helsinki 1 430 Kilometer entfernt sei und man konnte die bezaubernde

Cover-Band Kuusimääki sehen, die die viel zu kleine Konzert-Lounge mit finnisch gesungenen

Nirvana- und Abba-Songs rockte. Passend dazu gab es original finnische Vollkornbrote. Auf drei

Floors konnte man tanzen, im Keller gab es fürchterlichen Dorfkrug-House und schlechte Remixe

alter Madonna-Songs, oben die Live-Musik, und im Haupttanzraum, der zweihundert Leute fasst,

zwei Dj-Pulte und sechs große von der Decke hängende Diskokugeln, hörte man "das Beste aus

den Siebzigern, Achtzigern und Neunzigern". Der Dj ackerte sich durch die Charts und schlug

wilde Haken in der Popgeschichte, legte nach James Browns "Sexmachine" die "Heroes del

Silencio" auf, reihte Sugababes an Nirvana, Billie Holliday an die Stones. Die Tanzwütigen hat

das nicht gestört, es zählte nicht Stilbewusstsein, sondern der Wiedererkennungswert der Musik,

und wenn man nur geduldig wartete und fleißig mitwippte - zum richtigen Tanzen war eh kein

Platz - kam irgendwann auch ein Song aus den privaten Top Ten.

 

Auch andere Veranstalter haben die Lage des unbetanzten Normalbürgers erkannt und richten

Feste aus, bei denen "für jeden etwas dabei ist". So kann der Thirtysomething (aber auch älter)

etwa auch in der Trompete oder der Hafenbar nach altbekannten Sounds tanzen. Von Raritäten

und Innovationen bleibt er verschont, der Besucher soll ja nicht überfordert werden.

 

Schöne Party: Jeden 2. Sonnabend, Kalkscheune, Johannisstr. 2, Mitte, 21 Uhr. 24. Jan.: "New

York in den 70ern & 80ern", ausverkauft! 8. Feb.: mit Godzilla-Film-Special (Karten 8 Euro).